Eine Umfrage zum Thema Mobilität und Umweltschutz zeigt Erfreuliches: Viele Alpenvereinstouren werden bereits mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt. Hoffentlich springen noch viele weitere auf den Zug auf. Dieser Artikel ist im Bergauf #3.2022 erschienen.
von Norman Schmid
Bei der letzten Alpenvereins-Hauptversammlung in Villach fand Dr. Georg Kaser, Glaziologe, Klimaforscher und IPCC-Autor, in seinem Vortrag zum Thema Klimawandel klare Worte: Das 1,5°-Ziel zu erreichen, wäre theoretisch noch möglich, allerdings nur, wenn wir unseren Energieverbrauch sofort drastisch reduzieren. Den größten Hebel im Alpenverein sieht er in der Änderung des Mobilitätsverhaltens seiner Mitglieder.
Grund genug, in einer Masterarbeit einigen Fragen zum Mobilitätsverhalten und zum Umweltbewusstsein im Österreichischen Alpenverein nachzugehen. Fast 2.300 Bergsportbegeisterte haben an der Online-Umfrage teilgenommen, drei Sektionen haben zusätzlich ihr gesamtes Tourenprogramm genauer unter die Lupe genommen und den CO2-Verbrauch analysiert. Die erfreulichsten Ergebnisse in aller Kürze: Fast ein Drittel der Bergsportler*innen bewältigen die Anreise zu den Sektionstouren oft oder immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Bewusstsein für die Themen Umwelt-, Natur und Klimaschutz sowie klimafreundliche Mobilität ist laut Umfrage enorm hoch – das klingt vielversprechend.
Anreise zu Sektionstouren
Die Zahl der bereits öffentlich durchgeführten Anfahrten zu Sektionstouren ist überraschend hoch. Über 29 Prozent der Fahrten werden bereits mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt. 69 Prozent der Befragten können sich zudem eine verstärkte Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel vorstellen. Als Hauptgrund für die Wahl des Pkws (80 Prozent) wurde wenig überraschend die mangelhafte Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz angegeben, gefolgt von der fehlenden Flexibilität und den langen Fahr- oder Wartezeiten (52 Prozent).
Enttäuschend hingegen ist das Ergebnis des Besetzungsgrades der Pkws bei Sektionstouren. Knapp 20 Prozent der Befragten sitzen allein im Auto, 37,8 Prozent zu zweit und nur 46 Prozent mit mehr als zwei Personen. Hier gibt es deutliches Optimierungspotential – eine bessere Organisation und Vernetzung unter den Sektionsmitgliedern ist die Devise.
Abbildung 1 zeigt den CO2-Verbrauch der Touren
2019 der Sektionen St. Pölten, Liezen und Innsbruck. Interessant dabei sind
weniger die gesamten zurückgelegten Kilometer (die hängen von der Tourenanzahl und
-auswahl ab und sind daher untereinander nicht vergleichbar) als vielmehr der
CO2-Verbrauch pro Person: Innsbruck liegt hier deutlich unter den Werten
der Sektionen Liezen und St. Pölten. Der Grund dafür ist im vorherrschenden Transportmittel
zu finden: In St. Pölten (75 Prozent) und Liezen (92 Prozent) wird
hauptsachlich mit privaten Pkws gefahren, wobei die Sektion St. Pölten durch 20
Prozent Bahnfahrten klimafreundlicher aussteigt. In Innsbruck wurden die Touren
großteils (74 Prozent) mit Kleinbussen durchgeführt, was ausschlaggebend für
die niedrigeren Emissionswerte pro Person ist.
Die Gesamt-km pro Jahr, die als Fahrer* in bei privaten Bergtouren zurückgelegt werden, liegen im Median bei ca. 1.000 km. Umgerechnet auf alle Alpenvereinsmitglieder (Mitgliederzahlen der 19- bis 70-Jahrigen im Jahr 2020) ergibt dies ca. 456 Millionen km, die ca. 111.000 t CO2e-Emissionen und über 72 t Feinstaub pro Jahr produzieren. CO2-Äquivalent (CO2e) berücksichtigt auch andere Treibhausgase (z. B. Methan) und rechnet deren Auswirkung in CO2 um.
Interesse an Umweltthemen
Laut der Umfrage ist das Interesse der Befragten an Naturschutz (93 Prozent), Klimaschutz (86 Prozent) und umweltfreundlicher Mobilität (80 Prozent) hoch oder sehr hoch. Mehr als 80 Prozent nehmen den Autoverkehr als großes Problem beim Umweltschutz wahr und 88 Prozent bewerten den öffentlichen Verkehr als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Bei der Frage nach dem zukünftigen Pkw geht der Trend eindeutig weg von fossilbetriebenen Fahrzeugen zu alternativen Antrieben und hin zum Verzicht auf einen eigenen Pkw (siehe Abb. 2).
Mehr als 80 Prozent der Befragten ist die Produktion der Ausrüstung
unter umweltfreundlichen und fairen Bedingungen wichtig. Der Frage, ob es
einfach ist, selbst einen Beitrag für den Umweltschutz zu leisten, stimmen 86
Prozent stark oder eher zu. Das ist ein deutliches Zeichen der
Bergsportcommunity in Richtung hohes Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz sowie
hohe Bereitschaft, selbst einen Beitrag dazu zu leisten.
Auch wenn der Anteil
an Anfahrten in die Berge mit privaten Pkws noch sehr hoch ist, scheint die
Bereitschaft, das Mobilitätsverhalten zu ändern, groß. Dass den Worten auch
Taten folgen, ist zu wünschen. Laut Stefan Goerre, dem Präsidenten des
Schweizer Alpen-Clubs, haben „… die meisten
Bergsteiger*innen eine gesunde Portion Ehrgeiz in ihrer DNA“. Gelingt es, diesen sportlichen
Ehrgeiz auch auf die klimafreundliche Anreise zu übertragen, können wir
Bergbegeisterte einen großen Beitrag in Richtung Erreichung der Klimaziele leisten
– unserer Umwelt und der nächsten
Generation zuliebe.
Dr. Norman Schmid ist Umwelt- und Gesundheitspsychologe, M.Sc.-Studium Management und Umwelt und Geschäftsführer bei Dr. Schmid & Dr. Schmid, ÖKOCoaching. Er ist außerdem Tourenführer und Naturschutzreferent der Sektion St. Pölten. Dieser Artikel ist Teil einer Masterarbeit an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik / Umweltmanagement Austria. Die Publikation kann gern angefordert werden: norman@schmid-schmid.at
Die Wege zu unseren Bergabenteuern produzieren einen beachtlichen CO2-Fußabdruck. Die gute Nachricht: Immer mehr Alpenvereinsmitglieder wollen nachhaltiger in die Berge kommen. Für die Anfahrt zu Tourenausgangspunkten, die nicht öffentlich erreichbar sind, kann es ein Weg sein, das eigene Auto zu teilen und somit den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.
Unter dem Motto „Nachhaltige Wege ins Freie“ arbeitet der Alpenverein an einer Kooperation mit dem heimischen Unternehmen ummadum. Über die gleichnamige App können sich Fahrgemeinschaften organisieren, die mit Punkten belohnt werden. Für jeden geteilten Kilometer gibt’s Punkte, die bei regionalen Partnern und bald auch auf Alpenvereinshütten eingelöst werden können.
Die ummadum-App gibt es bereits und kann auch schon genutzt werden. In den kommenden Monaten sollen in einem Pilotprojekt mögliche Hürden für eine Mitfahrbörse im Bergsport identifiziert und beseitigt werden, um im Anschluss möglichst viele von euch zu motivieren, die neue Mitfahrgelegenheit in die Berge auszuprobieren. Nur wenn das Angebot an sichtbaren Fahrten groß ist, kann das große Ziel der Bergsportmitfahrbörse erfolgreich sein. Somit kann künftig auch der Kaiserschmarren auf eurer Lieblingshütte mit gesammelten Mobilitätspunkten bezahlt werden.
Fahrplan „Nachhaltige Wege ins Freie“:
2022: Identifikation und Beseitigung von Hürden im
Pilotprojekt mit Pilotsektionen
2023: Ausrollung auf alle interessierten Sektionen und
Mitglieder
Interessierte Sektionen können sich bereits jetzt informieren unter raumplanung.naturschutz@alpenverein.at oder office@ummadum.com
Die App ist bereits downloadund verwendbar unter: www.ummadum.com